Neuseeland Auckland / Westküste

30.01.11 - 04.02.11

Auckland

Wir hatten in der Abflughalle am Gate 24 in Honolulu die wartenden Leute beobachtet. Es war ein bunt gemischter Haufen: von jung bis alt, weiblich und männlich, hübsch und weniger hübsch, Leute aus aller Welt. Eine Mutter fiel uns auf, die mit zwei Kindern unterwegs war. Das eine Mädchen war im Teenie Alter, das andere vielleicht fünf oder sechs jährig. Die Jüngere von beiden weinte und wir dachten, sie habe Flugangst oder so etwas ähnliches. Zwischendurch hörte sie auf zu weinen und dann ging es wieder los. Wir beobachteten das Ganze ein bisschen und stellten fest, dass es sich nicht um Flugangst handelte, sondern eher um einen Trotzkopf und Tyrann. Na ja was soll, ist ja nicht unser Problem. Nachdem wir den Pass und das Flugticket zum siebten Mal einem Sicherheitsbeamten gezeigt hatten, machten wir es uns auf unseren Sitzen im Flugzeug der Air New Zealand gemütlich. Wir waren schon fast ready to take off, als in der Reihe hinter uns die Mutter mit dem Tyrann Platz nahm - na super! Und es wurde dann auch super. Die Kleine wollte dies und wollte das und wenn ihre Wünsche nicht gleich befriedigt werden konnten, ging das Geheule wieder los. Immer wieder stopfte sie mit den Füssen an den Sitz und konnte nicht mal für 10 Sekunden still sein. Als dann Isabella morgens um drei Uhr einen ganz bösen Blick (und das sieht dann gar nicht schön aus) nach hinten warf, sagte die Mutter dann doch endlich zur Tochter, sie soll still sitzen und ruhig sein. Juppi, jetzt kommts gut! Doch leider nur für die nächsten 30 Sekunden, dann ging das Theater über in den nächsten Akt. Wir hätten es ja auch schlecht treffen können, doch nein, es war beschiss… (wir hätten gerne die Göre zusammen mit der Mutter über Board geschickt - so böse können wir sein!).

Doch der Flug war ansonsten sehr gut und angenehm, vor allem haben wir vorzüglich gegessen. Wir glauben, wir haben noch nie so gut über den Wolken gegessen. Nach ca. drei Stunden Flug hatten wir eine Premiere. Wir beide überquerten zum ersten Mal den Äquator und befanden uns nun auf der Südhalbkugel. Kurze Zeit später überflogen wir dann noch die Datumsgrenze über Samoa. Und dies ist eine sehr komplizierte Angelegenheit. Wir starteten am 28. Januar 2011 am Abend und flogen von Osten nach Westen, also Retour auf der Zeitachse, entgegengesetzt der Zeitverschiebung. Dies hatte zur Folge, dass wir beim Überfliegen der Datumsgrenze mit einem neuen Tag, dem 30. Januar 2011 begannen. Den 29. Januar 2011 haben wir somit ausgelassen. Konkret heisst das, es wurden uns ein Tag genommen. Somit wird auch unsere Reise einen Tag kürzer. Das einzig Positive daran ist, dass wir am 29. kein Geld ausgeben konnten und sich dadurch unser Budget verbessert (es steht eh schon schief). Wie wird sich nun dieser fehlende Tag auf unser Leben auswirken? Wir wissen es nicht! Leben wir jetzt in der Vergangenheit? Sind wir nun allen anderen hinterher? Dem Wunsch, die Lottozahlen im Voraus zu kennen, sind wir nun einen riesen Schritt weiter entfernt. Was wäre, wenn wir nun die Datumgrenze von der anderen Seite, also von West nach Ost, wieder überfliegen würden. Wären wir dann Back to the Future?! Vielleicht, wir wissen es wirklich nicht. Aber eigentlich ist das auch nicht so wichtig, also lassen wir die Philosophiererei.

Am 30. Januar 2011, morgens um 6:00 Uhr landeten wir in Auckland. Beim Aussteigen aus dem Flugzeug waren wir sehr sehr vorsichtig. Wir wollten ja nicht gleich, dass uns der Boden unter den Füssen verschwindet. Denn wir befanden uns ja nun auf der unteren Seite der Erde, also fällt ja eigentlich alles hinunter, was nicht fest gemacht ist. Zu unserem Erstaunen standen wir aber mit beiden Füssen fest auf dem Boden. Was für ein Phänomen! So haben wir nun unter Einsatz unseres Lebens aktiv bewiesen, dass die Erdanziehungskraft nicht ein Märchen ist, sondern auch tatsächlich existiert und funktioniert. Phantastisch. Etwas was wir nicht sehen können, hält uns überall auf der Erde am Boden. Das ist Physik pur. Natürlich testeten wir dann auch das mit dem Toilettenwasser, das im Gegenuhrzeigersinn abfliesst. Was für eine verkehrte Welt?!

Kaum im Land der Kiwis (das ist eine Vogelart und keine Frucht) angekommen, mussten wir unsere Koffer wieder zum Röntgen abgeben. Also ob da jemand im Flieger etwas reingepackt hätte. Das Gepäck wurde auf unerlaubte Einführung von Früchten oder Pflanzen kontrolliert. Wir hatten natürlich weder noch dabei. Als alles paletti war, schnappten wir uns ein Taxi und fuhren in die Innenstadt zu unserem Hotel. Die Fahrt war ungewohnt. Der Taxichauffeur stieg auf der verkehrten Seite ein, im Auto fehlte links das Steuerrand und er fuhr auf der falschen Strassenseite. Doch zum Glück machte er alles richtig, denn in Neuseeland herrscht Linksverkehr (die werden noch Freude haben mit uns, wenn wir unterwegs sind). Todmüde von der langen Reise, kamen wir im Hotel an. Doch von unserer Reservierung wusste man dort gar nichts. Wir hatten zum Glück das Hotel direkt und nicht via einem Vermittler gebucht und hatten auch zwei E-Mails mit der Buchungsbestätigung erhalten. Das Personal war etwas überfordert, am frühen Sonntagmorgen, mit zwei Gästen, die anscheinend nicht vorgesehen waren. So prüften sie als erstes, weshalb sie die Buchung nicht registriert hatten - erfolglos und nicht wirklich relevant für uns. Dann prüften sie, ob wir ein Zimmer für zwei Nächte haben könnten. Dann stellten sie die Rechnung aus und meinten, wir könnten nicht vor 11:00 Uhr ein saubes Zimmer erhalten. Ist ja fast unmöglich. Das scheinbar grösste Hotel in Auckland hat kein einziges Zimmer mehr frei oder als Reserve verfügbar. So mussten wir dann halt die ca. 3 Stunden mit warten überbrücken. Wir schlenderten ein bisschen durch die Stadt und setzten uns am Hafen auf eine Bank und schliefen fast ein. Quasi mit dem Gongschlag von 11:00 Uhr (pünktlich wie eine Schweizer Uhr [und von denen gibt es im Ausland extrem viele]) standen wir an der Rezeption und siehe da, es war bereits ein Zimmer (das einzige!) parat. Wir hatten das Gepäck noch nicht richtig abgestellt, waren wir bereits im Tiefschlaf versunken.

Gegen Abend machten wir uns dann auf und gingen zum Hafen hinunter. Unsere Ankunft wurde mit einem gewaltigen Feuerwerk gefeiert (dachten wir zumindest). Nein, Auckland feiert seit 1842 jeweils am 30. Januar Geburtstag und dies mit einem kleinen Fest am Hafen. Die City of Sails, wie Auckland auch genannt wird, war 2000 und 2003 Austragungsort um die älteste Sporttrophäe aus dem Jahre 1851 im America’s Cup. 2003, nach 152 jähriger Geschichte, ging der Cup erstmals an ein europäisches Team. Unfassbar, dass der Binnenstaat Schweiz, mit dem Team Alinghi, den America’s Cup gewann.

Unfassbar war aber auch bei der Übernahme unseres Campers, dass die Kaution von NZ$ 7‘500 (knapp CHF 6‘000) bezahlt werden muss. Normalerweise wird nur ein Kreditkartenabzug gemacht, der dann im Schadensfall geltend gemacht wird. Die Kreditkartengebühren für diese Belastung beträgt 2 % (NZ$ 150) und wurde sogleich dazu gerechnet. Dazu kommt eine voraussichtliche Gebühr unserer Bank von 1.5 % (NZ$ 112.50) plus zusätzlichem Wechselkursverlust durch An- und Verkauf der Fremdwährung mit weiteren ca. 4 % (NZ$ 300). In der Summe sind dies mindestens NZ$ 562.50, die für Nichts zu gebrauchen sind und nur unser Budget schmälern. Wir hätten noch die Option gehabt, an Stelle der Kaution eine Haftpflichtversicherung für NZ$ 42 pro Tag abzuschliessen. Das wären dann bei 32 Reisetagen NZ$ 1‘344 (ca. CHF 1‘050). Von unserem Reiseveranstalter wussten wir, dass die Kaution NZ$ 7‘500 betragen wird, jedoch nicht, dass dieser Betrag bei der Übernahme des Fahrzeuges fällig wird. Für die Ausschliessung des Selbstbehaltes hatten wir auf Empfehlung des Reisebüros noch extra eine Versicherung abgeschlossen. So machte man uns (vor allem Jürg) noch vor der Übernahme des Campers extrem sauer! Weshalb bespricht man die Kosten beim Reisebüro im Detail durch und erfährt dann erst vor Ort, dass man den Geldbeutel nochmals öffnen muss?! Kann man das nicht im Voraus sagen? Das passt uns gar nicht! Ist das normal, dass man immer wieder über den Tisch gezogen wird?! Das wird dann noch ein Nachspiel haben!

Nach all dem Ärger starteten wir unser nächstes Abenteuer mit dem Camper. Da der Tag schon ein paar Stunden alt war, hatten wir auch Hunger. Wir waren also noch keine 5 Kilometer unterwegs, als wir an einem Subway (Imbiss für Salat und Sandwich) vorbei fuhren und uns dachten, da holen wir uns einen Tunasalat. Doch so einfach war es dann doch nicht. Wo um Himmelswillen stellt man ein 7.1 Meter langes Fahrzeug auf einem Parkplatz ab? In Amerika wäre das kein Problem gewesen, da wäre dieses Fahrzeug auch nur eine kleine Schnupftrucke. Aber in Neuseeland, ein Ding der Unmöglichkeit. Zum Glück gibt es für solche Fälle einen Pannenblinker und man lässt das Auto einfach auf der Strasse stehen. Gestärkt ging dann unsere Reise so richtig los, inkl. Linksverkehr. Die erste Nacht im Camper war noch nicht der Hit, denn wir hatten definitiv schon besser geschlafen. Das kommt dann bestimmt noch. Die zweite Nacht war dann schon etwas besser. Doch das Wetter war bislang noch nicht rühmenswert. Dies macht bestimmt den Einstieg ins Camperleben nicht einfacher. Aber das wird schon noch kommen.

Westküste

Am Morgen des zweiten Tages in New Plymouth waren wir eigentlich schon bereit zum Abfahren und hatten nur noch ein paar Handgriffe zu erledigen. Da hörten wir unsere Nachbarn Schwiizerdütsch sprechen. Also stiegen wir aus und sagten hallo. Zwei Frauen und ein Mann waren mit einem Bus und Zelt unterwegs. Wir plauderten über Neuseeland und das Reisen und erhielten dabei gute Tipps für die Südinsel (Sandfliegen und so weiter!). Die drei waren zusammen in Nelson in der Sprachschule und genossen noch ein paar Wochen mit umher reisen. Nach über einer halben Stunde plaudern wollte Jürg (doch noch) wissen, woher die drei sind. Bei Angela war es leicht zu hören, dass sie aus der Ostschweiz kommt. Auch bei Stefan hätten wir nicht lange raten müssen, dass er aus der Innerschweiz stammt. Bei Cora dachten wir, dass sie auch aus dem Mittelland kommt. Das war auch der Grund (mit konkretem Hintergedanken), dass Jürg danach gefragt hatte: Ist jemand aus dem Aargau? Ja, sagte sie, sie sei auch aus dem Aargau und wir freuten uns über die Kantonsgemeinschaft. Nun wollte Jürg es genauer wissen und fragte nach aus welcher Gegend. Region Aarau - Zofingen war die Antwort und wir sagten, dass wir aus Hirschthal sind. Dabei meinte Cora, sie hätte vielleicht Isabella schon irgend einmal gesehen, sie käme ihr bekannt vor und sie habe schon mal in Holziken gewohnt und wohne jetzt in Gränichen. Jedoch konnte kein gemeinsamer Nenner gefunden werden. So klein kann die Welt sein. Doch Jürg machte die Welt noch kleiner und fragte, ob sie in Gränichen aufgewachsen sei. Ja. Dabei stellte Jürg klar, wir kennen uns nicht und wir haben uns noch nie gesehen, aber heisst Du Hauri? Ihr Gesichtsausdruck war phenomenal. Bingo!!! Sie schaute Jürg an und konnte es kaum glauben, dass er ihren Nachnamen kannte. Dann doppelte er nach und sagte, Du bist die Tochter vom Coiffeur Marco. Ihr Mund blieb offen stehen und sie konnte es nicht fassen. Auch die anderen staunten nicht schlecht. Volltreffer! Da hat Jürg den Nagel voll auf den Kopf getroffen!

Waren das nun die hellseherischen Fähigkeiten, hatte es etwas mit Kaffeesatz lesen zu tun oder einfach nur pures Glück? Natürlich nein. Das Ganze hatte eine Vorgeschichte. Jürg war drei Tage vor der Abreise beim Coiffeur Marco, wie schon seit etwa 25 Jahren, für einen kurzen Kurzhaarschnitt. Der Chef selber legte die Schere an (Karin und Franzi waren ausgebucht). Jürg erzählte von der bevorstehenden Reise und Marco berichtete, dass eine seiner Töchter soeben für einen vier monatigen Sprachaufenthalt nach Neuseeland abgereist sei. Im Anschluss werde sie dann noch das Land bereisen. Jürg überlegte noch, ob er nach der Telefonnummer oder E-Mailadresse fragen sollte, lies es dann aber sein. Da er Cora nicht kannte und Neuseeland mit einer Fläche von 268‘680 km2 über 6.5 Mal grösser ist als die Schweiz (41‘285 km2), wäre es wohl schlecht möglich sich zu treffen. Also liess er das mit dem Datenaustausch. In Vancouver dachte er noch einmal daran, doch eventuell Kontakt aufzunehmen, liess es dann aber aus den besagten Gründen sein. Nun, am zweiten Campingtag in Neuseeland, in New Plymouth, 18‘581 Kilometer Luftlinie von zu Hause entfernt, bzw. auf der anderen Seite des Globus, begegnet man sich. Was für ein Zufall?! Fast unglaublich.

Wir konnten uns fast nicht mehr von dieser aussergewöhnlichen Geschichte erholen. Im Moment dachten wir nicht mehr ans Auschecken (spätestens 10:00 Uhr) und plauderten und plauderten. Doch kurz vor dem Mittag sagten wir dann doch noch tschüss. Das war eine Begegnung, die wir nie vergessen werden. Wenn wir wieder in der Schweiz zurück sind, werden wir uns treffen und über das Abendteuer Neuseeland sprechen. Einfach ein einzigartiges, fast unglaubliches Erlebnis!

Wir fuhren südwärts weiter in Richtung Mount Taranaki, ein 2‘518 Meter hoher Vulkan. Die dicke Wolkendecke lag wie ein Deckel über dem meist bestiegenen Gipfel Neuseelands. Doch die perfekte Spitzkegelform war deutlich zu erkennen. Wir fuhren im Egmont Nationalpark auf eine Anhöhe, um den Vulkan etwas näher zu sehen. Als wir oben ankamen, verzogen sich die Wolken für einen kurzen Moment, so dass der Blick zum Gipfel frei war. Der Mount Taranaki wurde im Film „The Last Samurai“ (mit Tom Cruise in der Hauptrolle) als Hintergrundkulisse verwendet (als Ersatz für den Fujiyama), da nebst Japan auch in Neuseeland gedreht wurde.

In Whanganui, am gleichnamigen River, parkten wir unseren Camper auf einem Campingplatz und wurden von einem Dutzend Enten begrüsst. Die Zweibeiner waren ziemlich hungrig und wären anstandslos in den Camper gegangen, hätten wir sie nicht daran gehindert. Draussen beim Nachtessen gesellten sich zwei von ihnen zu uns und hofften auf einen Happen. Mit einem kleinen Stück Pepperoni machte sich Isabella zu ihren Freunden. Doch eine davon wollte mehr, denn sie zupfte Isabella am Hosenbund. Ist doch schon unverschämt, dass mittlerweile auch schon Tiere für Geld betteln .

Die Fahrt nach Wellington, der Hauptstadt Neuseelands, war von Regen und Gewitter geprägt. Also eigentlich nichts Neues, was das Wetter anbelangte, denn die Sonne zeigte sich bisher nur sehr selten (wir hoffen, dass sich das bald ändern wird!). Hoffen auf die Südinsel war angesagt!

Unsere Reise geht weiter unter dem Kapitel Südinsel.